von Johannes Heynold, 25.02.2019,
Update 10.03.2019, 29.04.2019, 25.05.2019, 19.09.2019,
Der erste Prototyp des SmartenBretts ist fertig, liefert fleißig Updates und ging zum ersten Mal auf Wanderschaft durch die Stadt. Das Interesse von PassantInnen hat er dabei geweckt. Grund genug, die Idee einer „urbanen Pinnwand mit Internetanschluss“ mit Hintergrundgedanken und Erfahrungen etwas genauer vorzustellen.
Durch Instagram und YouTube sind mir „Stars“ und ihre Tagesroutinen bekannt. Ich weiß womit sich Bianca „Bibi“ Claßen die Haare wäscht und was für Sportschuhe die Hamburger 187 Straßenbande trägt. Ich weiß über Donald Trumps Affären und die gespaltene amerikanische Gesellschaft Bescheid, habe eine Vorstellung der sturen Brexit-Verhandlungen und bin über die Gelbwestenproteste in Frankreich informiert. Auf vielen Kanälen wird das Bild einer gesellschaftlichen Spaltung gezeichnet, und wenn ich möchte, sehe ich es.
Beim Wissen um meine NachbarInnen und mein lokales Umfeld, wird es aber dünn.
Dabei betrifft mich das in mindestens dem gleichen Umpfang. Und als angehender Stadtplaner bin ich daran interessiert, ein „gesundes“ soziales Gefüge aufzubauen und zu unterstützen. Schließlich besteht Stadt nicht nur aus Straßen, Häusern und Laternen, sondern vor allem auch aus den Menschen und ihren Verbindungen zueinander. Ein stabiles soziales Gefüge ist in sich schnell verändernden Zeiten eine wichtige Basis, um individuell mit Veränderungen umgehen zu können. „Resilienz“ – Widerstandsfähigkeit – fällt hier gerne als Schlagwort.
Dass Medien unser Weltbild prägen, ist keine neue Erkenntnis. Mit wachsender Zahl von Informations- und Kommunikationskanälen ist eine Vielzahl von Informationen vorhanden und für jeden theoretisch verfügbar. Tatsächlich fehlt es aber oft am individuellen Zugang: dem Zeitungsabo, dem Wissen um die lokale Facebook-Gruppe, dem Account in der richtigen App, dem richtigen Suchbegriff auf Google, dem sozialen Netzwerk oder der Selbstsicherheit, um mit seinem/r NachbarIn ein Gespräch zu beginnen.
Der Mangel einer breiten lokalen Öffentlichkeit führt zu einer geschwächten lokalen Identität und erschwert die Überwindung individueller Unterschiede.
Ein weiteres Problem, das aus diesem mangelnden Austausch entsteht, ist Vereinsamung. Dass Großbritanien sich ein Ministerium für Einsamkeit zugelegt hat, zeigt das Ausmaß dieser Entwicklung.
Und selbst banale Synergien wie das Ausleihen von Werkzeugen bedürfen der Möglichkeit einer Absprache. Nachhaltiges Handeln ohne Kommunikation ist schwer vorstellbar. Jede Sharing-App erfüllt für die NutzerInnen vor allem diese Funktion: Indirekte Kommunikation zwischen Individuen.
Kommunikation ist das Bindeglied zwischen Menschen. Sie schafft gegenseitiges Verständnis, ermöglicht Zusammenarbeit und unterstützt die Bildung einer gemeinsamen Identität. Die „Kommunikations-Infrastruktur“ einer Gesellschaft ist Öffentlichkeit. Die individuelle Schwelle ist die Wahrnehmung von anderen und durch andere.
Das SmarteBrett nutzt den öffentlichen Stadtraum als bestehende, „zielgruppenspezifische“ Öffentlichkeit, in der Informationen zusammenfließen und ohne Schwellen (Abonnement, Wissen, Account, soziale Kontakte, zeitliche Zusammenkunft) wahrnehmbar sind. Es dient NachbarInnen zur Information über aktuelle Themen, bietet ihnen aber auch die Möglichkeit, eigenen Gedanken für andere sichtbar zu „posten“.
Als Add-On zur klassischen Pinnwand dient eine digital-analoge Schnittstelle (Drucker, Monitor), die Quellen mit lokal relevanten Bezügen (Twitter-, Facebook-Accounts, RSS-Feeds) abonniert hat, und wahrnehmbar und ohne Mehraufwand für einen konstanten News-Stream sorgt und damit die Relevanz des SmartenBretts sicherstellt. Dass weder eine Anmeldung, noch ein Smartphone oder ein Internetanschluss notwendig sind, macht es auch für ältere Menschen niederschwellig nutzbar.
Ergänzend zu Dialog-Formaten, bei denen Menschen zur gleichen Zeit am selben Ort anwesend sein müssen, schafft das SmarteBrett einen indirekten, (medialen) Austausch, der Anonymität ermöglicht, aber auch einen lokalen Bezug sicherstellt. Der Fokus liegt in einer einfachen Umsetzung, um Menschen zusammen zu bringen. Ein weiterer, positiver Nebenaspekt sind die nicht vorhandenen Nutzer-Daten beim Abrufen von etwa Facebook-Beiträgen.
Ist all das ein naiver Ansatz, um soziale Probleme zu lösen? Ja, vielleicht.
Vielleicht ist es das aber auch nicht. Denn erste Versuche mit Pinnwänden im öffentlichen Raum waren schon überraschend erfolgreich. Und sicher stellt der Prototyp noch keine befriedigende Lösung dar. Aber wenn das SmarteBrett eine gewisse Relevanz für Nachbarn haben kann, dann wird sich daraus auch der Weg für kommende Weiterentwicklungen ableiten lassen. Welche Erfahrungen gibt es also bis jetzt?
Auszug aus dem aus der Summerschool entstandenen „Kochbuch für die Stadt“ mit Pinnwand-Rezepten zum selber machen, August 2016.
Noch ohne einen Gedanken an digitale Verknüpfungen zu verschwenden, war der erste Prototyp eine witterungsgeschützte Pinnwand von Studierenden der Universität Stuttgart. Im Rahmen der Summerschool „Die Stadt als Haus“ hing sie im Sommer 2016 an einem Fußweg in Stuttgart. Schnell wurde Sie von NachbarInnen für Feedback zur Summerschool, aber auch für allgemeine Aushänge genutzt.
Zur gleichen Zeit analysierte ich in meiner Masterarbeit im Städtebau eine ländliche Gemeinde mit abnehmender Bevölkerung. In Interviews vor Ort schwankte die Einschätzung der Lage stark. Ein Grund für negative Einschätzungen war das Gefühl, es gäbe kaum noch Freizeitangebote. Jüngere Menschen, die digital stärker vernetzt waren, teilten diesen Eindruck seltener. Der Blick auf Facebook und damit andere Gemeindeteile war weniger trist, als von manchem Gesprächspartner zuvor beschrieben. Den Unterschied zur gleichen Situation machten die Erzählung und das Wissen von weiteren Angeboten. Nur im von Leerstand geprägten Stadtraum waren diese Angebote nicht ablesbar.
Daraus entstand die Idee, an einem lokalen Ort nicht nur die Plattform in Form einer Pinnwand zur Verfügung zu stellen, sondern auch die bereits digital vorhandenen Informationen zu lokalen Aktivitäten und benachbarter Vereine sichtbar zu machen. Bei der Öffentlichkeitsarbeit für den Nachbarschaftsverein Casa Schützenplatz hatte ich selbst die Erfahrung gemacht, dass unser nachbarschaftliches Engangement mit kommerziellen, regionalen Veranstaltungen um die Aufmerksamkeit kämpfte. Ein relevantes, schwarzes Brett bot die Möglichkeit, auch abseits von Veranstaltungen die Geschichten und Entwicklungen in der Nachbarschaft zu erzählen, Mitstreiter zu gewinnen und ein belebtes, soziales Bild der Nachbarschaft zu stärken. Für alle nutzbar, war auch einer zu einseitigen Erzählung durch die aktiven Nachbarn aus dem Verein vorgebeugt.
Der zweite, strukturiertere Prototyp des analogen Facebook wurde entsprechend mit ausgedruckten und zugeschnittenen Facebook-Posts „gefüttert“. Seit 2017 hängt er nun in Stuttgart am Schützenplatz und lockt noch immer Nachbarn und Spaziergänger zu einem Blick auf anstehnde und stattgefundene Veranstaltungen. Die Kategorienschilder sind zwar verloren gegangen, wirklich notwendig waren sie aber wohl auch nie.
Der nun konstant mit dem Internet verbundene Protyp des SmartenBrett ist zunächst in DIY-Manier aus den bewährten Standard-Baumarkt-Materialien entstanden: Einer Pinnwand zum Informationsaustausch, Beinen zum flexiblen Aufstellen und einem Dach, um die Posts vor Regen zu schützen.
Die gedruckten Posts bestehen aus Quelle, Zeit der Veröffentlichung, Text und, falls vorhanden, einem Bild. Unter jedem Beitrag ist Platz zum Kommentieren. „Posts“, die von Menschen vor Ort an die Pinnwand gehängt werden, bleiben nur lokal sichtbar.
Die analog-digitale Schnittstelle baut auf dem IoT-Drucker von Adafruit und ihren Scripten auf. Der Thermo-Drucker, der einem Bon-Drucker aus dem Supermarkt entspricht, ist an einen Raspberry Pi, einem Einplatinen Computer, angeschlossen. Dieser besitzt ein eingebautes WLAN-Modul und stellt damit die Verbindung zum Internet her. In festgelegten Intervallen ruft er öffentliche Blog-Posts, Tweets, Instagramm- oder Facebookbeiträge per RSS-Feeds, oder der Twitter-API (Application programming interface – Anwendungsschnittstelle) ab. Geplant ist außerdem öffentliche Beiträge von nebenan.de darzustellen. Dafür bietet nebenan.de aber noch keine zufriedenstellende Schnittstelle.
Liegt ein neuer Post vor, wird dieser mit Datum, Bild und Text gedruckt. Wie auf einem der Fotos zu sehen ist, wird auch schon daran gearbeitet, Drucker und Computer mit Akkus zu betreiben, um einen mobilen Betrieb und Tests im Stadtraum zu ermöglichen.
Die einezelnen Scripte gibt es hier auf GitHub.
Die praktische Umsetzung wird lokale Partner und Genehmigungen erfordern, um das Aufstellen und den Betrieb des smartenBretts im öffentlichen Raum zu ermöglichen.
Darüber hinaus sind Mitstreiter und Ratschläge auf Programmier- und allen anderen Ebenen immer herzlich wilkommen. Schreibt uns einfach an: smartesBrett@studio-johey.de
Der #NewsKasten – Mobile Version für’s z2x19
SchmartesBrett mit NewsKasten während dem Aufbau